Archäologische Ausgrabung an der Rütligasse 1a–3 in Luzern
Seit Ende Juli 2024 führt die Kantonsarchäologie mit Unterbrüchen eine Ausgrabung in der Luzerner Altstadt durch. Grund dafür ist die Unterkellerung eines Innenhofes zu zwei Häusern mit Zwischenbau aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Das Grundstück liegt im rechtsufrigen Teil der Luzerner Altstadt an der Ecke Rütligasse – Kesselgasse, wobei letztere beim Bau des Parkhauses Kesselturm in den 1970er-Jahren fast ganz verschwunden ist. Der Bereich Rütligasse 1a–3 – wie der gesamte auf der rechten Seite der Reuss gelegene Altstadtteil – liegt auf dem Schwemmfächer des Krienbachs. Seit seiner Kanalisation im Mittelalter führte der Bach bis ins 18. Jahrhundert immer wieder zu schlimmen Hochwassern.
Archäologisch ist das Areal Rütligasse 1a–3 deshalb so interessant, weil es im frühen 13. Jahrhundert, als die schon lange bestehende Siedlung Luzern zur Stadt mit Stadtmauer und Graben wird, noch ausserhalb der Stadt liegt und nach der Erweiterung der Stadt frühestens im späten 13. Jahrhundert zu einem Quartier innerhalb der Stadt gehört.
Ausschnitt der Luzerner Stadtansicht von Martin Martini 1597 mit der Ende des 16. Jahrhunderts bestehenden Bebauung des Areals Rütligasse – Kesselgasse. Grün: Rütligasse, gelb: Kesselgasse, rot: Bebauung Kesselgasse (Rütligasse 3).
Ausschnitt des Stadtplans von Franz Xaver Schumacher 1790/1792. Mit dem Neubau Ende des 18. Jahrhunderts entsteht die aktuelle Situation mit der zusammenhängenden Bebauung Rütligasse 1a–3 (Rütligasse 1 Fideikommisshaus Segesser von Brunegg 1751–1752). Grün: Rütligasse, gelb: Kesselgasse, blau: Neubau 1784.
Die bauliche Entwicklung auf dem Areal lässt sich anhand alter Bildquellen bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen. Dreigeschossige Holzgebäude stehen damals als geschlossene Häuserzeile entlang der Kesselgasse, ihnen gegenüber (Rütligasse 1) stand das in einer Grabung 1990/91 erfasste spätgotische Steinhaus mit grossem Garten. Innerhalb dessen Grundmauern konnte damals das Fundament eines noch älteren Baus beobachtet werden. Unzählige weitere archäologische Befunde und Funde belegen im Bereich der Rütligasse 1 eine intensive Nutzung bereits im 13. Jahrhundert. Insgesamt liess sich bei der Grabung Anfang der Neunzigerjahre mehr als 2.5 m mittelalterliche Stratigrafie dokumentieren. Im Bereich Rütligasse 3 zeigt sich hingegen ein ganz anderes Bild.
Die periodischen Überschwemmungen des ehemals noch natürlich verlaufenden Krienbaches zeichnen sich auf dem aktuellen Grabungsniveau als Schotterablagerungen bereits an einigen Stellen in unterschiedlichen Höhen ab. Anhand der Schichtverläufe ist deutlich zu erkennen, dass das Gelände von Westen nach Osten, Richtung Krienbach, stark abgefallen ist. Auf den Schotter folgt ein mächtiges homogenes Schichtpaket, das partiell Linsen mit faustgrossen Kieseln enthielt (Überschwemmungsereignisse?). Seine Unterkante ist aktuell noch nicht erreicht. Die wenigen Funde datieren die vermutlich als anthropogene Aufschüttungen zu interpretierenden Schichten ins 13. Jahrhundert. Direkt in dieses Schichtpaket eingetieft waren neuzeitliche Befunde, wie ein mit Schutt verfüllter Holzkasten und eine Fassgrube mit Material aus dem 19./20. Jahrhundert. Die Tatsache, dass die neuzeitlichen Strukturen direkt auf die Schichten aus dem 13. Jh. folgen, deutet darauf hin, dass das Gelände spätestens im 19. Jh. grossflächig abgetragen wurde und somit mehrere hundert Jahre potentieller Archäologie dazwischen fehlen.
Aus dieser Zeitspanne stammen vermutlich die Reste des massiv gemauerten Fundaments von 1.5 m Breite und bis 1.2 m erhaltener Höhe, das ca. 80 cm unter der modernen Pflästerung zum Vorschein kam und schräg unter der Ostfassade von Gebäude Rütligasse 3 hervorzieht, Richtung Norden läuft und unter dem Zwischenbau Rütligasse 1a wieder verschwindet. Auf der Höhe Südostecke Rütligasse 3 bildet es eine Ecke. Die Mauer scheint mehrere Aus- bzw. Umbauten erlebt zu haben. 1784 wurde der südliche Teil der freigelegten Mauer beim Bau des Gebäudes Rütligasse 3 als Fundament integriert. Im weiteren Verlauf gegen Norden wurden die Steine im Bereich des neuen Gebäudes jedoch abgetragen, was auf der Grabung durch eine Baufuge zwischen altem Mauerwerk und neuem Fundament erkennbar war. Ob es sich bei dieser Mauer um das Fundament der Häuserzeile auf der Luzerner Stadtansicht von Martin Martini von 1597 handelt, kann zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht beantwortet werden. Eine Datierung ist allgemein schwierig, da die zugehörigen Nutzungsniveaus womöglich mit dem vermuteten grossflächigen Geländeabtrag verschwunden sind.